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Regenschirme gibt's nur, wenn die Sonne scheint
Ein Interview von Andreas Schröder mit CEO Guido Alt in der Stuttgarter Zeitung vom 15.03.2003.

Caatoosee spiegelt die Entwicklung am Neuen Markt wider

Am kommenden Freitag ist der letzte Handelstag des Neuen Marktes. Die in Leonberg hat in dem Börsensegment eine Karriere hinter sich, wie sie typischer kaum sein kann. Im Zuge des Internetbooms ist das Softwareunternehmen im Herbst 2000 an die Börse gegangen. Innerhalb kürzester Zeit ist der Aktienkurs in die Höhe geschossen, um im Sog der Börsenkrise auch genauso schnell wieder abzustürzen. Aus finanziellen Nöten hat sich Caatoosee mit harten Sanierungsmaßnahmen befreit. Mittlerweile scheint sich das Unternehmen gefangen zu haben. Andreas Schröder sprach mit Caatoosee-Gründer und -Vorstandschef Guido Alt über das Ende des Neuen Marktes und das Leben danach.

Herr Alt, weinen Sie dem Neuen Markt eine Träne nach?

Mit Sicherheit nicht. Den Neuen Markt habe ich in den vergangenen zwölf, fünfzehn Monaten nicht mehr intensiv wahrgenommen - abgesehen von unseren Börsenpflichtmitteilungen natürlich.

Wer ist schuld daran, dass der Neue Markt gescheitert ist?

Es ist schwierig, Schuldige eindeutig zu benennen. Dazu sind einfach zu viele beteiligt gewesen. In der Boomphase ist der Neue Markt mehr und mehr zum Selbstläufer geworden, getrieben von Unternehmen, Banken und Investoren, aber auch Wirtschaftsprüfern und Anwälten. Alle haben plötzlich erkannt, dass man da ein wahnsinniges Geld verdienen kann. Jede Rationalität war außer Kraft gesetzt. Der Neue Markt ist in dieser Phase an der riesigen Euphorie und letztendlich an sich selbst gescheitert. Das Segment war so, wie es ursprünglich geplant war, mit Sicherheit richtig. Gerade junge Unternehmen brauchen den Zugang zum Risikokapital. Der Neue Markt hatte in der Gründungsphase absolut seine Berechtigung.

Was hätte anders laufen müssen, damit der Neue Markt ein Erfolg geworden wäre?

Die Erwartungen hätten nicht derart überzogen sein dürfen. Gerade weil so viel Kapital im Spiel war, wurde von den Unternehmen zum Teil Unmögliches erwartet. Umgekehrt waren die Unternehmen auch zu euphorisch und haben gedacht, sie könnten die hohen Erwartungen, die sie zum Teil auch selbst geweckt haben, erfüllen. Jeder hat geglaubt, alles geht. Und am Ende hatten sich alle Beteiligten überfordert.

Welche Fehler hat Caatoosee gemacht?

Vor dem Börsengang waren wir eine einfache GmbH und wurden dann plötzlich mit Themen konfrontiert, die für uns völlig neu waren. Zentraler Fehler war, dass Caatoosee - vor allem durch Zukäufe - einfach zu schnell gewachsen ist. Ich habe unterschätzt, welche Schwierigkeiten und welcher Aufwand hinter der Integration übernommener Firmen stecken. Das hat mich überrollt. Heute wäre ich mit Sicherheit nicht mehr so naiv. Zu den Integrationsproblemen kam dann noch die Wirtschaftskrise. Andere Unternehmen hatten allerdings zusätzlich Probleme, von denen wir nicht betroffen waren.

Sie meinen hausgemachte Skandale, Betrügereien und Bilanztricksereien?

Im Gegensatz zu anderen Unternehmen waren bei uns die Probleme rein operativer Natur. Unsere letztjährige Bilanz hat gezeigt, dass wir nichts verheimlichen. Wir haben alles schonungslos offen gelegt. Manches war fast schon vorauseilender Gehorsam. Insgesamt muss man aber sagen, dass im Gegensatz zu den USA, wo es wirklich spektakuläre Fälle gab, am Neuen Markt die wirklich großen Skandale ausgeblieben sind. Deshalb war es furchtbar, dass wegen Einzelfällen wie Comroad und EM-TV das ganze Segment bestraft worden ist.

Bestraft? Was meinen Sie damit?

Als Unternehmen musste man sich beim Kunden ja fast dafür entschuldigen, am Neuen Markt notiert zu sein. Die Ausgangsposition hat sich da total verändert. Noch vor drei Jahren hat man uns als GmbH Aufträge in einer gewissen Größenordnung nicht gegeben, weil wir kein börsennotiertes Unternehmen waren. Mittlerweile ist es fast umgekehrt. Heute würde ich eher einen Großauftrag bekommen, wenn Caatoosee eine GmbH wäre und nicht den Negativstempel des Neuen Marktes tragen würde. Das ist verrückt.

Anders als viele andere junge Unternehmen hat Caatoosee einen erfahrenen Aufsichtsrat. Inwiefern hat Ihnen die Mitwirkung alter Hasen wie Lothar Späth, Daimler-Vorstandsmitglied Rüdiger Grube und Michael Grabner, Mitglied der Geschäftsführung bei Holtzbrinck, in der finanziellen Krise ihres Unternehmens geholfen?

Das war entscheidend. Der Aufsichtsrat hat mit Nachdruck darauf gedrungen, dass wir die Sanierung nicht aufschieben, sondern die Karten offen auf den Tisch legen und einen radikalen Schnitt machen. Ab Mai 2001 haben wir innerhalb von gerade einmal neun Monaten das Unternehmen schonungslos umgekrempelt. Wir haben uns von Standorten, Töchtern und Geschäftsfeldern getrennt und mussten auch Mitarbeiter entlassen.

Als Lenker eines börsennotierten Unternehmens hat man nicht immer alles selbst in der Hand. Gerade bei Werten, die nur in relativ kleinen Stückzahlen gehandelt werden, können institutionelle Investoren einen großen Einfluss ausüben. Das mussten auch Sie schmerzlich erfahren. Einmal hat sich der Caatoosee-Kurs innerhalb eines Tages auf 15 Euro mehr als halbiert, nachdem ein Fonds Ihre Aktien massenweise auf den Markt geworfen hat. Wie fühlt man sich als Spielball der Börse?

Hilflos und ausgeliefert. Nach diesem Absturz sind wir noch stärker in den Fokus der kritischen Öffentlichkeit geraten. Plötzlich hat es mit dem einen oder anderen Auftrag nicht geklappt, mit dem wir fest gerechnet hatten. Das Vertrauen vieler Kunden war weg. Das war viel schlimmer als der Kurseinbruch an sich. Da haben wir zum ersten Mal so richtig gespürt, was es bedeutet, mit der viel zitierten Negativstimmung konfrontiert zu sein. Dem Sog kann man sich dann kaum noch entziehen.

Welche Spuren hat die Achterbahnfahrt am Neuen Markt bei Ihnen persönlich hinterlassen?

Ich bin abgeklärter, aber auch misstrauischer geworden. Mit Banken, Analysten und Investoren habe ich eigentlich alles erlebt. Regenschirme bekommt man in der Regel nur dann, wenn die Sonne scheint. Ich habe viele Enttäuschungen einstecken müssen, auch von ehemaligen Mitarbeitern. Da hatte ich wirklich Glück, dass ich auf einen erfahrenen Aufsichtsrat bauen konnte, als ich Unterstützung gebraucht habe. Vor allem Aufsichtsratschef Lothar Späth hat auch in dunklen Stunden hinter dem Unternehmen gestanden und uns mit seiner Erfahrung den Weg zeigt.

Nach den Skandalen am Neuen Markt ist der Ruf nach strengeren Regeln für Unternehmen und Manager lauter geworden. So plant die Bundesregierung beispielsweise die persönliche Haftung von Vorständen gesetzlich zu regeln. Ist das die Lösung?

Ich habe Bedenken, dass die Kontrollen und Reglementierungen überhandnehmen. Die Auflagen für den Neuen Markt waren hoch genug. Wichtig ist, dass die Bewegungsfreiheit der Unternehmer erhalten bleibt. Für mich als Caatoosee-Gründer und knapp 50-prozentigen Anteilseigner ist es auch heute schon so, dass jede unternehmerische Entscheidung unweigerlich auch persönliche Folgen hat: Wenn das Unternehmen Erfolg hat, profitiere ich, wenn es Verluste macht, hänge ich mit drin. Reine Manager kennen diese Probleme nicht, ihnen geht es im Ernstfall nicht an das eigene Vermögen. Oft wird Ihnen ein Abgang noch mit einer gewaltigen Abfindung versüßt. Das halte ich schon für fragwürdig

Der Neue Markt ist am Ende, Caatoosee existiert allen Widrigkeiten zum Trotz noch. Ist die Krise überstanden?

Caatoosee wird in der Öffentlichkeit langsam wieder positiver wahrgenommen. Die Menschen registrieren, dass wir ein Unternehmen sind, dass den Neuen Markt überlebt hat. Wir bekommen sogar mittlerweile wieder viele Bewerbungen. Investoren sind allerdings zurückhaltend und warten erst einmal ab, wie wir uns in den nächsten ein bis zwei Jahren entwickeln. Wir sind auf einem guten Weg. Unsere Sanierung haben wir gepackt, wir sind in das neue Börsensegment Prime Standard aufgenommen worden. Caatoosee hat in den vergangenen Monaten mehrere Aufträge von großen Unternehmen bekommen, unter anderem von SAP, Heidelberger Druckmaschinen und Bertelsmann. Die Geschäfte in Asien laufen gut. Unsere Tochter Sigma trägt die Hälfte zum Umsatz von Caatoosee bei. Wenn wir jetzt zeigen können, dass wir unser operatives Geschäft in den Griff bekommen, dann kommen die Investoren zurück.

Bereuen Sie es eigentlich, mit Caatoosee an den Neuen Markt gegangen zu sein?

Nein, überhaupt nicht. Die vergangenen drei Jahre möchte ich trotz aller Probleme nicht missen.

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Kasten

Eine typische Hinterhofkarriere

Caatoosee ist ein klassisches Unternehmen der New Economy. Vorstandschef Guido Alt hat die Softwarefirma vor knapp acht Jahren in einem Stuttgarter Hinterhof gegründet. Der 42-Jährige hat das Unternehmen dann innerhalb weniger Jahre zum Börsenkandidaten gemacht.

Der Börsengang von Caatoosee im Herbst 2000 war der vorläufige Höhepunkt einer rasanten Entwicklung. Am Neuen Markt hat das Unternehmen eine wechselvolle Karriere hinter sich. Einem rasanten Aufstieg folgte der harte Fall - auch das ist beispielhaft für die meisten Firmen am Neuen Markt. Noch im Jahr 2000 ist der Aktienkurs auf mehr als 60 Euro geschossen - für 21 Euro war die Aktie auf den Markt gekommen. 2001 folgte der Absturz. Seither dümpelt das Papier vor sich hin und ist nun nicht einmal einen Euro wert.

Nach den Enttäuschungen am Neuen Markt hat Alt den Ehrgeiz, das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Der Vorstandschef hat hart durchgegriffen und fast alle der in den vergangenen Jahren eröffneten oder zugekauften Tochtergesellschaften im In- und Ausland abgestoßen sowie zahlreiche Stellen gestrichen. Alt hält knapp 50 Prozent der Anteile an Caatoosee. Etwa 26 Prozent der Aktien sind im Streubesitz.sö

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